Sandmann (BRD)
Fifur des Westdeutschen Kinderfernsehens ab 1962, Lego Flugzeug 80er Jahre

Dampfeisenbahn

Mit dem Kauf einer Modellbahn für seinen Sohn hatte sich mein Vater Mitte der sechziger Jahre einen lang gehegten Wunsch erfüllt. Dass ich mit der Anschaffung ganz zufrieden war, zeigt ein Foto aus jenen Tagen. Das Vorbild hatte ich Tag für Tag vor Augen, denn ich konnte vom Balkon runter ins Murgtal schauen und keine 300 m Luftlinie entfernt die bullenstarken Fünfkuppler der BR 82 arbeiten hören. Nach Aussagen meiner Großmutter soll mir eine solche Dampflok auch mein erstes „Da!“ mit Fingerzeig in Richtung der Schwarzen entlockt haben. Leider läßt sich für dieses epochale Ereignis kein weiterer verlässlicher Zeuge finden.

Meine frühe Zuneigung zur Dampfeisenbahn hatte also einen realen Hintergrund. Dieser Geruch, der manchmal im Tal hing, nachdem eine Dampflok durchfuhr, den habe abgespeichert und kann ihn mit einem Stichwort in mein Gedächtnis rufen. Mit der Einführung der Dieseltraktion auf meiner Heimatstrecke wurde ich zeitweise zum Verräter an der eigenen Sache. Die roten Loks waren viel spektakulärer und stärker als die Dampfloks, so dass ich die Dampfer einfach als altmodisch abtat. Den Hang zum Neuen gleich auslebend, war für mich auch klar, dass mein Traumberuf nicht wie für viele meiner Alterskameraden lediglich Lokführer war, nein, ich wollte Lokführer auf einem TEE Triebwagenzug werden. Nicht weniger.

Es kam zu einem Urlaub bei einem Onkel, der Bahnhofsvorsteher im Hessischen war. Ein kleiner Bahnhof mit Güterschuppen, der vormittags von einem Übergabezug bedient wurde, was auch immer mit Rangierarbeiten verbunden war. Und ich durfte auf die Diesellok und dabei sein, als hin und her rangiert wurde. Es war der Himmel auf Erden für einen achtjährigen Jungen.
Doch die Besuche bei meinen Großeltern in Ludwigslust nährten die Bewunderung für Dampfloks auf Neue. Ich lief regelmäßig von der Kanalstraße aus zum Bahnhof, um mir dort die großen Dampfloks anzuschauen, die von Hamburg nach Berlin unterwegs waren. Heute weiß ich, es waren zumeist die BR 01 und 03, die ich vor den Interzonenzügen zu sehen bekam. Viel wichtiger als technische Details waren damals jedoch der Geruch, der Dampf, das Geräusch und das Erstaunen darüber, dass eine Dampflok lautlos und rucklos anfahren konnte. Eine Gänsehaut erzeugten die bei Regen ins Schleudern geratende zwei Meter hohen Räder, sowie das Keuchen der Loks vor schweren Zügen. Diese Maschinen lebten. Es war die Faszination der Kuppelstange, die die Kraft des heißen Kessels und der Feuerbüchse bildlich umsetzte und körperlich erfahrbar machte. Ich glaubte wirklich zu wissen, wie eine Dampflok arbeitete, ganz im Gegensatz zu den roten Dieselloks anderenorts. Ich mochte die Dampfloks. Und deren Lokführer. Einer von ihnen fragte mich auf dem Ludwigsluster Bahnhof, ob ich seine Dampflok haben wollte. Erst später fiel mir die dazu passende Antwort ein: „Mit solchen Sachen treibt man keinen Spaß.“.

In späteren Jahren verlegte ich mich auf das Sammeln von Dampflokmodellen, las viele Bücher zur Geschichte der Eisenbahn. Ich besuchte viele Eisenbahnmuseen und Dampflokfeste, bin bei vielen Dampfsonderfahrten mitgereist. Bis heute versetzt mich jede Dampflok nach Ludwigslust oder ins Murgtal und hinterläßt ein gutes Gefühl. Mittlerweile glaube ich zu wissen warum. Es ist die Suche nach dem Staunen der Kindheitstage. Die Suche nach der Fähigkeit sich einfach nur beeindrucken zu lassen ohne gleichzeitig für alles schon eine Antwort parat zu haben.

Bei entsprechender Windrichtung kann ich von meinem Haus aus die Züge auf dem vier Kilometer entfernten Bahndamm hören. Und jedesmal warte ich auf den Pfiff einer Dampflokomotive. Ich bräuchte nur einen kleinen Augenblick um ihn zu erkennen, ich glaube, ich würde ihn auch hören, wenn er ganz leise wäre. Und die Fahrt ginge dann ins Murgtal. Oder nach Ludwigslust.

Uwe Holz



Mecki (BRD)
Werbefigur der Zeitschrift "HörZU" ab 1949
Mecki (BRD)
Werbefigur der Zeitschrift "HörZU" ab 1949
Mecki (BRD)
Werbefigur der Zeitschrift "HörZU" ab 1949
Sandmänner (DDR)
Figur des DDR-Kinderfernsehens ab 1959