Für Kinder ist nur das Beste gut genug
(Firmenmaxime von Steiff)
Vor mir, auf meinem Schreibtisch, ist mein kleiner Steifftierzoo aufgebaut.
Alle Tiere haben mittlerweile eine leichte Behinderung: einigen fehlt das
Schnäuzchen, anderen eines ihrer Augen, oder auch beide; aber eines ist
ihnen gemeinsam: sie alle sind von meinem Großvater.
Mein Großvater war in den 50er und 60er Jahren, als ich geboren wurde
und heranwuchs, selbstständiger Schneider in Hamburg. Wenn es ihm seine
Arbeit erlaubte, kam er uns am Wochenende besuchen, und sehr oft zauberte
er dann eines dieser wunderbaren Steiffgeschöpfe aus seiner Reisetasche.
Meine Mutter sträubte sich dann immer ein wenig und sagte, er solle doch
nicht so viel Geld für meine Spielsachen ausgeben. Doch sein Standpunkt
war: Für meine Enkelin ist nur das Beste gut genug.
Im 1. Weltkrieg wurde meinem Großvater ein Teil seines Beines weggeschossen
und so humpelte er, trotz seines harten Schicksals, mit seiner Prothese wohlgemut
durchs sich immer noch aufbauende, in die Wirtschaftswunderjahre kommende
Nachkriegsdeutschland. Für mich als Kind war er ein großer, eleganter,
gutaussehender Mann mit schlohweißem Haar; und eine Wonne war es, wenn
ich auf seinen Knien sitzen konnte und er mit mir spielte.
Jedesmal, wenn ich heute in die Abteilung von Steiff in einem großen
Kaufhaus oder in ein Steiffgeschäft gehe, um Geschenke für die Kinder
von Freunden zu kaufen, erinnere ich mich unwillkürlich an meinen Großvater
und an meine Kindheit.
Der berühmte Knopf im Ohr ziert kaum noch eins meiner Tiere, denn damals
schon mußte ich jedes Tier von diesem Werbezeichen befreien; sehr zum
Ärger meiner Mutter, die dachte, man könne das wahre Steifftier
eben nur an diesem Knopf erkennen.
Dieser Knopf im Ohr hat die Marke Steiff so berühmt und unverwechselbar
gemacht. Nachdem die, mit 1 _ Jahren an Kinderlähmung erkrankte Margarete
Steiff 1880 ihren ersten Elefanten als Nadelkissen fertigte, stellte sich
bald heraus, daß er von den Kindern gern als Spielzeug umfunktioniert
wurde. 1886 wurden dann schon über 5000 Elefanten verkauft und auch andere
Tiere ergänzten mittlerweile das Verkaufssortiment. 1903 wurde auf der
Leipziger Messe der erste zottelige Teddy präsentiert, der einen wahren
Boom auslöste: im selben Jahren wurden schon 12.000 Bären verkauft.
Um die Tiere originär zu machen, wurde ihnen ein Metallknopf im Ohr befestigt,
auf dem ein Elefant eingeprägt war, der erst später durch den uns
heute bekannten Steiff-Schriftzug ersetzt wurde.
1951 erschien der Mecki, den Volker Weinhold in dieser Ausstellung so liebevoll
in Szene gesetzt hat, auf dem Markt. Die Figur wurde von Diehl-Film erdacht
und zum Leben erweckt, und die Firma Steiff konnte die Lizenz zur Herstellung
dieser Igel-Figur erwerben. Nun zogen Zotty der Bär und Mecki
der Igel in die Welt hinaus. Die beiden wurden zu den berühmtesten Steiffrepräsentanten.
Ich besaß leider weder einen Bären, noch einen Igel aber
einen wunderbaren Affen, der zu meinem absoluten Lieblingsspielzeug avancierte.
Vor einigen Jahren fand ich ihn auf dem Dachboden meiner Eltern, mit halb
abgefallenem Kopf, sein Schwanz baumelte nur noch an einem Faden... kurzum:
er sah erbärmlich aus. Meine Mutter nahm sich seiner an und nun hat er
seinen Platz bei den anderen Steifftieren in einer kleinen Truhe. Ab und zu
befreie ich sie aus ihrem Käfig und lasse ihnen einen Moment ihre Freiheit,
meistens, wenn ich an meinen Großvater denke.
Anette Schwohl
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